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Donnerstag, 21 November 2024
23 Jan 2020
Grevenbroich - Im Jahre 1996 hat der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum Holocaust-Gedenktag ernannt. Dieser Gedenktag erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. Auschwitz ist zum Inbegriff des Holocaust geworden. In dem Vernichtungslager an der polnischen Grenze wurden 1,5 Millionen Menschen, Juden und andere NS-Opfer, in beispielloser Weise ermordet. Doch hinter der unvorstellbaren Millionenzahl der Opfer, die im Todeslager nur als eintätowierte Nummern geführt wurden, verbergen sich konkrete Namen und Biographien. Nach den Recherchen vom Arbeitskreises Judentum des Geschichtsvereins sind auch 18 Grevenbroicher in dieser fabrikmäßigen Todesmaschinerie ermordet worden. Es sind folgende Mitbürger gewesen:
•aus Gustorf-Gindorf: Familie Baum, Josefine und Sibilla Beretz, Johanna Gottschalk, Jeanette Behr, Amalie, Henriette und Bernhardine Kaufmann, Willi Marx und Josef Moser
•aus Frimmersdorf: Eva Schönfeld
•aus Hemmerden: Siegmund Katz, Familien Aussen und Ehepaar Sachs-Aussen
•aus Grevenbroich Klara & Josef Frank, Thekla Back, Margarete Goldstein, Karl Heinmann, Margarete Weihl, Mathilde Kaufmann, Adele Cohnen, Rosa Hirsch, Grete Hertz, Joseph & Alex Katz mit Ehefrau Elfriede
•aus Hülchrath: Schwestern Elly, Cilly und Jenni Hirsch
Jüngstes Opfer war die am 1. Mai 1939 geborene Recha Katz aus Wevelinghoven. Sie ist mit ihrer Familie im Rahmen der ersten Deportationswelle im Dezember des Jahres 1941 aus Wevelinghoven in das Ghetto Riga deportiert wurde. Während ihre Familie im Ghetto blieb und Zwangsarbeit leisten mußten, ist Recha Katz – wohl weil sie als Kind „arbeitsunfähig“ war – weiter nach Auschwitz verbracht worden.
Als das KZ Auschwitz am 27. Januar 1945 von russischen Truppen befreit wurde, lebten nur noch wenige Tausend Insassen. Darunter befanden sich auch drei jüdische Menschen aus dem heutigen Stadtgebiet.
Der Wevelinghovener Josef Katz. Er überlebte Theresienstadt, Auschwitz und einen Todesmarsch zum KZ Buchenwald, wo er befreit wurde. Seine Nichte Recha Katz gilt seit Kriegsende als „verschollen“ in Auschwitz, wahrscheinlich wusste er nicht, dass seine Nichte hier ermordet wurde. Der Versuch, die väterliche Metzgerei in Wevelinghoven nach der „Stunde Null“ im Mai 1945 wieder zu beleben, schlug fehl. Josef Katz emigrierte mit seiner Ehefrau und Mit-Überlebenden Martha und seinem in Wevelinghoven 1946 geborenen Sohn Rolf in die USA, wo er im Jahr 2000 verstarb.
Menschenversuche überlebten die beiden Hemmerdenerinnen Henny Sachs-Aussen und ihre Tante Klara Aussen-Winter, die allerdings am 2. März 1945 kurz nach der Befreiung verstarb.
Insgesamt gibt es über 200 Holocaustopfer, die in Grevenbroich geboren oder hier länger gelebt haben und in KZs und Vernichtungslagern ermordet wurden. Zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz werden am kommenden Montag, den 27. Januar 2020, ab ca. 12.30 Uhr Schülerinnen und Schüler des 9. Jahrgangs der Diedrich-Uhlhorn-Realschule gemeinsam mit „KKG gegen das Vergessen“ die Namen dieser Grevenbroicherinnen und Grevenbroicher auf dem jüdischen Friedhof in Wevelinghoven vorlesen und für jeden Ermordeten Grevenbroichs einen Stein zur Erinnerung niederlegen. Die gemeinsam mit dem Arbeitskreis Judentum und den beiden Schulen organisierte Gedenkstunde will den Opfern aus allen Stadtteilen Grevenbroichs wieder Namen und Gesicht geben. Die Namensverlesung holte die Erinnerung an die Entrechtung, Verfolgung, Übergriffe und letztlich dann auch an den Holocaust dorthin, wo sie hingehört: In die Heimat und in die Nachbarschaft vor Ort, wo die jüdischen Mitbürger ihre Wurzeln hatten.
So schrieben die Schülerinnen und Schüler von KKG gegen das Vergessen vorab die Grevenbroicher Namen auf die Gedenksteine, die nach dem Vorlesen der Namen in der Tradition, Steine als Erinnerung an Verstorbene auf dem jüdischen Friedhof niederzulegen, dort niedergelegt werden.
Seit 1988 recherchiert Ulrich Herlitz vom Arbeitskreis Judentum intensiv nach Namen der Holocaustopfer aus Grevenbroich. Waren zu Beginn seiner Arbeiten 110 Opfer bekannt, hat er durch intensive Suche z. Bsp. im Bundesarchiv Koblenz, dem Internationalen Suchdienst in Arolsen, regionalen und kommunalen Archiven sowie im Austausch mit vielen lokalen Geschichtsvereinigungen sowie überlebenden Familienangehörigen inzwischen über 200 Grevenbroicher Opfer ausfindig gemacht. Dabei ist die Anzahl der Namen nur relativ zu sehen. Denn nicht alle, die auf dem heutigen Stadtgebiet geboren wurden, sind auch von hier deportiert worden, viele aus umliegenden Großstädten, wo sie Zuflucht gesucht hatten oder aber, weil Sie dorthin verheiratet waren und dort Familien gegründet hatten.
Gemeinsam mit dem Geschichtsverein sind mittlerweile für Gustorf-Gindorf gemeinsam mit dem dortigen Ortsnetzwerk im Jahre 2014 oder in Wevelinghoven gemeinsam mit der Lesebühne und der evangelischen Gemeinde für die Kinder, die Opfer des Holocaust geworden sind, 2011Gedenksteine errichtet worden. In Hemmerden wurde auf Initiative der Holocaustüberlebenden Marianne Stern-Winter in den 1960er Jahren ein Gedenkstein für die Hemmerdener Juden auf dem dortigen jüdischen Friedhof errichtet, in Hülchrath erinnert ein Gedenkstein „zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger unserer Gemeinde“ ebenfalls auf dem dortigen Friedhof.
Für das gesamte Stadtgebiet gibt es jedoch noch Handlungsbedarf für eine zentrale Erinnerung, um dieser Opfer namentlich zu gedenken. Hier wäre ein zentrales Denkmal, auf dem die Opfer namentlich verzeichnet sind, eine würdige Erinnerung.
Und, darin sind sich die Verantwortlichen der Diedrich-Uhlhorn-Realschule, der Käthe-Kollwitz Gesamtschule und der Geschichtsverein Grevenbroich einig, es ist schrecklich, dass heutzutage Juden in Europa wieder im Alltag in Angst leben müssen. Da ist es wichtig, sich daran zu erinnern, wohin Antisemitismus, Rassismus und blinde Ideologie führen können. Nicht umsonst ist haben sich auch beide Schulen dem Netzwerk „Schule gegen Rassismus“ angeschlossen. Sebastian Potschka, Geschichtslehrer an der Diedrich-Uhlhorn-Realschule, bietet auch in diesem Jahr wieder in den Osterferien die Möglichkeit zu einer freiwilligen Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz für alle weiterführenden Schulen an. In diesem Jahr ist die Resonanz mit 180 Schülern so groß, dass zwei Fahrten angeboten werden. Im Rahmen der Gedenkstättenfahrt gedenken die Schüler an den Aschewiesen am Krematorium im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau der Grevenbroicher Auschwitz-Opfer.
Zur Vorbereitung der Gedenkstättenfahrt wird ebenfalls ab kommenden Montag eine Wanderausstellung zum sogenannten Auschwitz-Album im zweiwöchigen Rhythmus in den weiterführenden Schulen gezeigt. Das Auschwitz-Album ist das einzig erhaltene Fotomaterial von der Ankunft der Deportationszüge bis kurz vor der Vernichtung im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
Quelle-Foto: Ulrich Herlitz – Geschichtsverein Grevenbroich